Hat mir Gott eine "Prüfung" auferlegt, ob mein Glaube auch echt ist?

4. Hat mir Gott eine „Prüfung“ auferlegt? Man könnte mit gleichem Recht fragen: Hat mir Gott eine „Anfechtung“ auferlegt? Beides ist im Griechischen dasselbe Wort. Man versucht, sich mit dieser künstlichen Unterscheidung dem Problem zu entziehen, dass man zwei recht bekannte Bibelstellen nicht miteinander in Einklang bringen kann. In Jak. 1,13 steht: Gott versucht niemand. Aber in 1. Mose 22,1 ist zu lesen: „Nach diesen Geschichten versuchte Gott Abraham…“ Zunächst möchte ich alle Stellen anführen, wo angegeben ist, dass Gott Menschen versucht. Bei allen diesen Bibelstellen findet sich dasselbe griechische Wort in der Übersetzung der LXX, womit auch immer dasselbe hebräische Wort übersetzt wird.

1. Mose 22,1: Nach diesen Geschichten versuchte Gott Abraham und sprach zu ihm: Abraham! Und er antwortete: Hier bin ich. (2) Und er sprach: Nimm Isaak, deinen einzigen Sohn, den du lieb hast, und geh hin in das Land Morija und opfere ihn dort zum Brandopfer auf einem Berge, den ich dir sagen werde.

2. Mose 15,25: Dort gab er ihnen Gesetz und Recht und versuchte sie (26) und sprach: Wirst du der Stimme des HERRN, deines Gottes, gehorchen und tun, was recht ist vor ihm, und merken auf seine Gebote und halten alle seine Gesetze, so will ich dir keine der Krankheiten auferlegen, die ich den Ägyptern auferlegt habe; denn ich bin der HERR, dein Arzt.

2. Mose 20,20: (18) Und alles Volk wurde Zeuge von dem Donner und Blitz und dem Ton der Posaune und dem Rauchen des Berges. Als sie aber solches sahen, flohen sie und blieben in der Ferne stehen (19) und sprachen zu Mose: Rede du mit uns, wir wollen hören; aber lass Gott nicht mit uns reden, wir könnten sonst sterben. (20) Mose aber sprach zum Volk: Fürchtet euch nicht, denn Gott ist gekommen, euch zu versuchen, damit ihr’s vor Augen habt, wie er zu fürchten sei, und ihr nicht sündigt. (21) So stand das Volk von ferne, aber Mose nahte sich dem Dunkel, darinnen Gott war.

5. Mose 8,2: Und gedenke des ganzen Weges, den dich der HERR, dein Gott, geleitet hat diese vierzig Jahre in der Wüste, auf dass er dich demütigte und versuchte, damit kundwürde, was in deinem Herzen wäre, ob du seine Gebote halten würdest oder nicht.

5. Mose 8,16: und speiste dich mit Manna in der Wüste, von dem deine Väter nichts gewusst haben, auf dass er dich demütigte und versuchte, damit er dir hernach wohltäte.

5. Mose 13,4: (2) Wenn ein Prophet oder Träumer unter euch aufsteht und dir ein Zeichen oder Wunder ankündigt (3) und das Zeichen oder Wunder trifft ein, von dem er dir gesagt hat, und er spricht: Lass uns andern Göttern folgen, die ihr nicht kennt, und ihnen dienen, (4) so sollst du nicht gehorchen den Worten eines solchen Propheten oder Träumers; denn der HERR, euer Gott, versucht euch, um zu erfahren, ob ihr ihn von ganzem Herzen und von ganzer Seele lieb habt. Richter 2,22: Weil dies Volk meinen Bund übertreten hat, den ich ihren Vätern geboten habe, und gehorcht meiner Stimme nicht, (21) so will ich auch hinfort die Völker nicht vertreiben, die Josua übrig gelassen hat, als er starb, (22) damit ich Israel durch sie prüfe, ob sie auf dem Wege des HERRN bleiben und darauf wandeln, wie ihre Väter geblieben sind, oder nicht.

Richter 3,1: Dies sind die Völker, die der HERR übrig ließ – damit er durch sie Israel prüfte, alle, die nichts wussten von den Kriegen um Kanaan,

Richter 3,4: Diese blieben, um Israel durch sie zu prüfen, damit es kundwürde, ob sie den Geboten des HERRN gehorchten, die er ihren Vätern durch Mose geboten hatte.

2. Chronik 32,31: Als aber die Botschafter der Fürsten von Babel zu Hiskia gesandt waren, um nach dem Wunder zu fragen, das im Lande geschehen war, verließ ihn Gott, um ihn zu versuchen, damit kundwürde alles, was in seinem Herzen war.

Psalm 26,2: Prüfe mich, HERR, und erprobe mich, erforsche meine Nieren und mein Herz!

Schon Luther hat an vier Stellen das Wort des Grundtextes abweichend übersetzt. In den drei Richterstellen hat er „versuchen“ durch „prüfen“ ersetzt und in Ps. 26,2 durch „erproben“. In Ps. 26,2 fordert der Beter konkordant übersetzt auf: …und versuche mich!

Nun möchte ich noch die Stelle aus Jak. 1,13 zitieren: „Niemand sage, wenn er versucht wird, dass er von Gott versucht werde. Denn Gott kann nicht versucht werden zum Bösen, und er selbst versucht niemand“.

Ich möchte nicht Fehler in der Bibel beweisen, sondern etwas ganz anderes will ich behaupten: Jakobus kannte die vielen Stellen genau, die von einer Versuchung durch Gott reden. Aber er wollte sagen: Auch wenn es solche Stellen gibt, Gott versucht nie jemanden. Diese Freiheit ist dem Herrenbruder Jakobus voll zuzutrauen. Er war sogar unter Juden, die nicht dem Christentum angehörten, als christlicher Gemeindeleiter in Jerusalem geachtet und hatte ein gewisses Ansehen. Er wollte seine Leser bestärken, sich nicht durch andere Personen das Herz schwer machen zu lassen, denn damals gab es mit Sicherheit Leute, die bei kranken Menschen von einer „Versuchung durch Gott“ redeten. Heute reden Leute lieber von einer „Prüfung durch Gott“, weil man sich im Sprachgebrauch angepasst hat. Aber es nicht weniger herzlos, von einer „Prüfung“ zu reden als von einer „Versuchung“. Es ist sogar entstanden durch sprachliche Unkenntnis. Es ist das Beste, solche Menschen zu meiden. Es bringt viel mehr Gewinn, sich vor Augen zu führen, dass Gott gut ist. Ebenso, dass er ein treuer Vater ist, wie es ein Mensch nicht sein kann. Der gerne seinen Kindern gibt, was sie brauchen. Gott versucht niemand, da stimme ich Jakobus voll zu. „Prüfung“, „Anfechtung“, „Versuchung“ – es ist eine rein deutsche Unterscheidung, nicht griechisch oder hebräisch.