Fremdglauben oder stellvertretender Glaube

Fremdglauben ist der stellvertretende Glaube, den ein Mensch für eine andere Person übernimmt. Diese Definition gebe ich einer ungebräuchlichen Bezeichnung. Geradezu klassisch ist das Eintreten der Eltern für ihre Kinder. Dass wirklich der Glaube in Stellvertretung geschieht, soll an Mk. 9,14-29 gezeigt werden. Einer aus der Menge bringt seinen Sohn herbei, der einen sprachlosen Geist hat. Der Dialog mit Jesus zeigt die Identifikation des Vaters mit dem Sohn. Der Vater sagt in Vers 22 zu Jesus: Aber wenn du etwas vermagst, erbarme dich über uns und hilf uns! Jesus antwortet in Vers 23: Wenn du vermagst – zu allem ist der Glaubende fähig. Vers 24 heißt es: Sofort schrie der Vater des Jungen auf und sagte: Ich glaube, hilf mir gegen den Unglauben! Die Identifikation der Eltern mit den Kindern ist selbstverständlich, das wird schon durch das „wir“ in Vers 22 ausgedrückt. Seinen persönlichen Glauben investiert der Vater, er ist mit Entschiedenheit bereit, sich korrigieren zu lassen, wo er noch Mängel im Glauben hat. Ein anderes deutliches Beispiel ist der Fall der Syrophönizierin, deren Tochter einen unreinen Geist hat (Mk. 7,24-30). Sie lässt sich sogar für ihre Tochter demütigen, um deren Befreiung von diesem Geist zu erreichen. Als Heidin wird sie mit einem Hund verglichen, aber sie nimmt diesen Vergleich auf, ohne gekränkt zu sein. Sie zeigt ihren Glauben, der für die Tochter, die nicht anwesend ist, die Befreiung bringt. Ähnlich stellvertretend wirkt Glaube bei der Erweckung von Toten, denn der Tote ist in seiner Situation ja hilflos und auf den Glauben der Lebenden angewiesen.                                         

In manchen Fällen setzen sich Freunde für Kranke ein. So wird von einem Gelähmten berichtet, bei dem 4 Leute ein Loch in das Dach machen, um ihn vor Jesus bringen zu können. Besonders interessant ist eine Notiz in Mk. 2,5: Als Jesus ihren Glauben sah, sprach er zu dem Paralytiker: Sohn, vergeben sind dir die Sünden. Es ist also nicht nur der Glaube des Kranken angesprochen, sondern die „Summe“ des Glaubens bei mehreren Menschen ist von Bedeutung.                                                                        

Andere Menschen können aber auch ein Hindernis sein, um Heilung zu erreichen. Aufschlussreich ist Luk. 8,51 bei der Auferweckung der Tochter des Jairus: Als er (=Jesus) zu dem Haus kam, erlaubte er niemandem, mit ihm hinein zu gehen, außer Petrus und Johannes und Jakobus und dem Vater und der Mutter des Kindes. Zwar können unbeteiligte Personen den Glauben fördern, aber es ist leider oft so, dass gerade Leute, die sich Christen nennen, wie ein Betonklotz am Bein beim Aufbau des Glaubens sind. Es darf die Last nicht unterschätzt werden, die ungläubige „Christen“ darstellen. Erst muss der Unglaube anderer Personen überwunden werden, bevor der eigene bekämpft werden kann. Aus dem Verhalten Jesu lässt sich ein Rückschluss ziehen: Wenn jemand Heilung sucht, sollte nur solchen Menschen vertraut werden, denen wirklich an der Heilung liegt.

Ein Beter, der für Kranke eintreten will, muss sich der Vollmacht gewiss sein, die Jesus gibt, denn sonst ist der Misserfolg vorprogrammiert. Es gibt niemand, der ohne Vollmacht ist, wenn ihn Jesus losgeschickt hat.

Ein ganz besonderes Problem ist die Erwartungshaltung gegenüber dem Beter. Kein Mensch kann heilen, auch kein noch so „gesalbter“ Heilungsevangelist. Heilen kann nur einer. Er tut es auch in der Gegenwart, denn sonst wäre das Christentum nicht wert, beachtet zu werden. Nur wenn die Heilung von der richtigen Adresse erwartet wird, können geistliche Geschwister helfen, Heilung zu erreichen. Das ist aber nicht der Königsweg. Denn Gott will, dass alle seine Kinder geistlich erwachsen werden und nicht davon abhängig sind, dass jemand bei der Heilung hilft.

 

 

 

 

Geistesgaben

Fürbitte für kranke Geschwister war seit der urchristlichen Zeit üblich. Besonders deutlich ausgesprochen wird es gegen Ende des Briefes nach Jakobus (5,14-18): „(14) Ist jemand unter euch krank, der rufe zu sich die Ältesten der Gemeinde, dass sie über ihm beten und ihn salben mit Öl in dem Namen des Herrn. (15) Und das Gebet des Glaubens wird den Kranken retten, und der Herr wird ihn aufrichten; und wenn er Sünden getan hat, wird ihm vergeben werden. (16) Bekennt also einander eure Sünden und betet füreinander, dass ihr geheilt werdet. Das Gebet eines Gerechten hat viel Kraft, wenn es wirksam wird. (17) Elia war ein Mensch mit gleichen Schwächen wie wir; und er betete ein Gebet, dass es nicht regnen sollte, und es regnete nicht auf die Erde drei Jahre und sechs Monate. (18) Und er betete wiederum, und der Himmel gab Regen und die Erde brachte ihre Frucht“. Es steht in Vers 15 nicht, dass eine Hilfe gegeben wird, wenn Gott gerade in der Laune dazu ist; es werden auch keine Bedingungen aufgelistet. Der Satz ist so, wie er dasteht, eine glatte Lüge, wenn der Kranke krank bleibt. Das Gebet des Glaubens hilft immer! Zwei Parteien müssen ihren Teil zum Glauben beitragen: der Beter muss im vollen Vertrauen auf den Herrn handeln; es funktioniert nicht mit „ausprobieren“, es muss „getan“ werden. Genauso ist beim Kranken ein Zutrauen zur Kraft des Herrn erforderlich. Jesus hat die Kraft, aus der Not zu befreien. Auch der Kranke muss seinen Teil beitragen; mit innerlicher Verachtung funktioniert es hier nicht.

Die Stellen, an denen die Heilungsgaben erwähnt werden, sollen kurz vorgestellt werden: Jesus hat bei seinem Erdenwirken vor 2000 Jahren, „angefangen, zu tun und zu lehren“ (Apostelgeschichte 1,1). Aber es war eben nur der Anfang seines Wirkens, nach dem Kreuz kam die Auferstehung. Sein Wirken geht bis zur Gegenwart weiter.

Jesus hat seinen Schülern das Gebot gegeben, untereinander zu lieben (Johannes 15,12). Lasten voneinander sollen und müssen getragen werden, um dieses Gebot zu erfüllen (Galater 6,2). Zu diesen Lasten gehören Krankheiten, denn seit urchristlichen Zeiten sind zu ihrer Beseitigung geistliche Gaben an glaubende Menschen gegeben worden.

Am Schluss des Evangeliums nach Markus (16,17 und 18: längerer Markusschluss) werden von dem Auferstandenen die „Zeichen“ angegeben, die die begleiten, die glauben: „In meinem Namen werden sie Dämonen austreiben, in neuen Zungen reden (=Glossolalie), (18) Schlangen werden sie hochheben und wenn sie Gift trinken, wird es ihnen nicht schaden, auf Kranke werden sie die Hände legen und es wird ihnen gut gehen“.

Auch in den Briefen werden solche Gaben angesprochen. 1. Korinther 12 nennt eine Reihe dieser Geistesgaben: „…(9) einem anderen Glaube in dem einen Geist, und einem anderen Gaben der Heilungen (Charismata iamaton= χαρίσματα ἰαμάτων) … (11) Solches alles aber wirkt ein und derselbe Geist, wobei er jedem seine persönliche Gabe zuteilt, wie er will“. 1. Petrus 4, 10 und 11 geht sehr knapp auf die Geistesgaben ein: „(10)Ein jeder diene dem anderen mit der Gabe (Charisma), die er empfangen hat, als gute Verwalter der vielfältigen Gnadengaben Gottes: (11) Wenn jemand redet, als seien es Worte (Logia) Gottes, wenn jemand dient, sei es wie aus der Kraft, die Gott darreicht, damit in allem Gott verherrlicht werde durch Jesus Christus, dem Herrlichkeit und Macht in die Aionen der Aionen ist“. Diese Stelle sagt genau das gleiche aus, denn es ist Gott, der zum Reden und Handeln die Voraussetzungen schafft, es ist eben nicht die natürliche, menschliche Kraft. Im Brief des Petrus wird es aber nicht weiter aufgeteilt.

Die Gaben werden dort lebendig, wo sie akzeptiert und erstrebt werden. Dort kann Jesus wirken mit seiner Kraft. Noch nie habe ich erlebt, dass Gaben dort vorhanden waren, wo sie nicht ernsthaft gesucht wurden. Es ist ein geistliches Gesetz, dass Gott dann kommt, wenn mit Vertrauen auf ihn zugegangen wird. Selber habe ich erfahren dürfen, dass sich Gott zu den Versprechen der Bibel stellt, wenn ihm Hilfe zugetraut wird. Trotz der Probleme, die mir meine eigene Gesundheit bereitet, hat Gott für andere Menschen spürbar eingegriffen, wenn ich ihn um Hilfe gebeten habe. Heilen kann ohnehin nur einer.