Zur Realität böser Geister

Gibt es böse Geister? Hätte man diese Frage in der Antike zu der Zeit Jesu einem Griechen oder Römer gestellt, hätte er sehr verwundert wohl eine Antwort dieser Art gegeben: „Selbstverständlich gibt es Geister, vielleicht sogar mehr als Menschen. Aber wieso sollen sie denn böse sein. Sie stehen genauso zwischen gut und böse wie wir Menschen. Sie sind doch keine Götter, deshalb kann man auch nicht verlangen, dass sie immer gut sind. Sie leben manchmal auch nicht länger als ein Mensch, weil sie eben nicht vollkommen sind. Aber sie sind oft nützlich. Ich wollte, mich würde ein Daimonion wie den Sokrates warnen, wenn Gefahr droht.“ Ein recht unbestrittener Punkt bei Jesus ist, dass er Exorzist war. Selbstverständlich ist „Exorzist“ nicht in einem engen Wortsinn verstanden. Denn es wird kein „Schwur“ bei einer Gottheit von den Dämonen verlangt, sondern sie werden „herausgeworfen“. Das ganze NT ist vom Kampf gegen die Dämonen durchzogen. Die Vorstellung über Dämonen war wohl verschieden von den Vorstellungen der heidnischen Umwelt, aber niemals hätte ein früher Christ die Existenz von Dämonen angezweifelt. Lese ich dagegen ein modernes Buch von Otto Böcher (Dämonenfurcht und Dämonenabwehr, 1970) wirft er Ambrosius als Repräsentant der alten Kirche vor, dass man die Realität von Dämonen annahm. „Man war davon überzeugt, daß etwa bei Folterung und Verbrennung von Ketzern nicht der Mensch, sondern der gequälte Dämon schrie“. In der Anmerkung dazu auf eben dieser Seite (S. 34) greift er „das in seiner bornierten Zuversichtlichkeit doppelt erschütternde Zeugnis Cyprians“ aus Ep. Ad Donatum 5 auf: „Es wird uns die Gabe verliehen …, die unreinen und umherschwirrenden Geister, die in die Menschen fahren, um von ihnen Besitz zu nehmen, durch anfahrendes Drohen zum Bekenntnis zu zwingen, ihnen mit harten Streichen zuzusetzen, daß sie ausfahren, sie trotz ihres Sträubens auf die Folter zu spannen, daß sie heulen und ächzen über die Zunahme und Vergrößerung ihrer Pein, sie mit Geißeln zu peitschen und mit Feuer zu brennen. Dies wird ihnen angetan, wenn man es auch nicht sieht, die Schläge sind verborgen, aber die Pein ist offenbar“. Wenn Böcher die „Realität der Dämonen“ bei Kirchenvätern moniert, muss man ihnen aber bescheinigen, dass sie hier dem Vorbild des NT folgen. Der „gequälte Dämon“ kann nicht schreien, wenn der eigene Glaubenshorizont, wo Dämonen für nicht existent erklärt werden, zum Maß aller Dinge gemacht wird. Es gab Auswüchse wie die Hexenverfolgungen, denen ich bestimmt nicht das Wort reden will. Doch von fremden Personen lasse ich mir auch nicht sagen, was ich zu glauben habe. Es ist ja keine Kritik an Cyprian, sondern an zentralen Aussagen des NT. Die Kritik trifft letztlich sogar Jesus, denn sein Wirken wird damit ebenfalls geleugnet. Cyprian hat nicht von seinem bequemen Sessel aus andere borniert genannt, sondern gelitten für seine Überzeugung. Man kann der frühen Kirche mancherlei Abfall vom NT vorwerfen, bei der Bekämpfung von Dämonen aber wenig! Der Vorwurf, gegen Dämonen zu kämpfen, trifft Jesus in ebensolchem Maße. Das Problem ist aber, wenn jemand die Realität von Dämonen leugnet, wird auch jede Erlösungstat geleugnet. Wozu brauche ich denn einen Erlöser, wenn ich von nichts erlöst werden muss? Für das Wirken Jesu ist die Existenz von Dämonen schlichtweg die Voraussetzung.

Zwar hatte das NT andere Dämonenvorstellungen als die heidnische Umgebung, aber sie haben viel größere Bedeutung, als ihnen unsere „Aufklärung“ zugestehen will. Als kleine Textprobe soll Luk. 4, 33-41 dienen, also ein Text von einem „vornehmen“ Arzt mit hellenistischer Bildung. 33. Und es war ein Mensch in der Synagoge, besessen von einem unreinen Geist, und der schrie laut: 34. Halt, was willst du von uns, Jesus von Nazareth? Du bist gekommen, uns zu vernichten. Ich weiß, wer du bist: der Heilige Gottes! 35. Und Jesus bedrohte ihn und sprach: Verstumme und fahre aus von ihm! Und der böse Geist warf ihn mitten unter sie und fuhr von ihm aus und tat ihm keinen Schaden. 36. Und es kam eine Furcht über sie alle, und sie redeten miteinander und sprachen: Was ist das für ein Wort? Er gebietet mit Vollmacht und Gewalt den unreinen Geistern und sie fahren aus. 37. Und die Kunde von ihm erscholl in alle Orte des umliegenden Landes. 38. Und er machte sich auf aus der Synagoge und kam in Simons Haus. Und Simons Schwiegermutter hatte hohes Fieber und sie baten ihn für sie. 39. Und er trat zu ihr und gebot dem Fieber und es verließ sie. Und sogleich stand sie auf und diente ihnen. 40. Und als die Sonne untergegangen war, brachten alle ihre Kranken mit mancherlei Leiden zu ihm. Und er legte die Hände auf einen jeden und machte sie gesund. 41. Von vielen fuhren auch die bösen Geister aus und schrien: Du bist der Sohn Gottes! Und er bedrohte sie und ließ sie nicht reden; denn sie wussten, dass er der Christus war. 38 Ἀναστὰς δὲ ἀπὸ τῆς συναγωγῆς εἰσῆλθεν εἰς τὴν οἰκίαν Σίμωνος . πενθερὰ δὲ τοῦ Σίμωνος ἦν συνεχομένη πυρετῷ μεγάλῳ καὶ ἠρώτησαν αὐτὸν περὶ αὐτῆς. 39 καὶ ἐπιστὰς ἐπάνω αὐτῆς ἐπετίμησεν τῷ πυρετῷ καὶ ἀφῆκεν αὐτήν• παραχρῆμα δὲ ἀναστᾶσα διηκόνει αὐτοῖς. 40 Δύνοντος δὲ τοῦ ἡλίου ἅπαντες ὅσοι εἶχον ἀσθενοῦντας νόσοις ποικίλαις ἤγαγον αὐτοὺς πρὸς αὐτόν• ὁ δὲ ἑνὶ ἑκάστῳ αὐτῶν τὰς χεῖρας ἐπιτιθεὶς ἐθεράπευεν αὐτούς. 41 ἐξήρχετο δὲ καὶ δαιμόνια ἀπὸ πολλῶν κρ[αυγ]άζοντα καὶ λέγοντα ὅτι σὺ εἶ ὁ υἱὸς τοῦ θεοῦ. καὶ ἐπιτιμῶν οὐκ εἴα αὐτὰ λαλεῖν, ὅτι ᾔδεισαν τὸν χριστὸν αὐτὸν εἶναι. Eine kleine Anmerkung zum Fieber bei der Schwiegermutter des Petrus (Vers 39). Luther übersetzt „gebot“, aber es ist unklar, was Jesus dem Fieber eigentlich gebot. Andere übersetzen: bedrohte das Fieber. Das ist auch nicht viel hilfreicher. Es ist genau dasselbe griechische Wort, das immer gebraucht wird, wenn Dämonen bedroht werden, damit sie ausfahren. Jesus hat dem Fieber befohlen, dass es zu weichen hat: Mach, dass du rauskommst!

Dämonen haben das Problem, nicht „stubenrein“ zu sein. Es ist keine attraktive Heilungsveranstaltung zu erwarten, wo ein Prediger dezent seine Hand auflegt. Eine unangenehme Eigenschaft, die selbst „kleine“ Dämonen haben, ist das laute Schreien. Nimmt man den „großen“ Dämon „Legion“ (Mk. 5, 1-20), kann man sich in einen schlechten Film versetzt fühlen, wenn der besetzte Mensch nicht einmal mehr mit Ketten zu fesseln ist. Gedruckt klingt es auch recht harmlos, dass der besetzte „sich mit Steinen schlug“. Aber es kann sehr grausam für den besetzten Menschen sein.

Von unserer Gesellschaft wird auch eine vorbestimmte Wertung getroffen: Krankheit gilt immer als behandlungswürdig, während Dämonen faktisch für nicht existent erklärt werden: Wenn ein Mensch körperliche Leiden hat, kann das also nur eine Krankheit sein, die man irgendwie einordnet. Man hat im Laufe der Zeit den dämonenbesetzten Knaben aus Mk. 9, 14—29 (besonders Verse 18 und 20) anhand der Krankheitssymptome mehrfach für einen „Epileptiker“ erklärt. Diese moderne Zuordnung erklärt aber nicht, warum hier eine Heilung funktionierte. Selbst wenn von Jesus ein „falsche“ Diagnose gestellt wurde – es also „nur“ ein Epileptiker war, den er heilte – wieso hatte die Heilung Erfolg? Dass in moderner Zeit Krankheiten mit einem festen Namen benannt sind, überwindet sie dadurch leider nicht.

Um den Gedanken fortzuführen, möchte ich die Heilung der verkrümmten Frau am Sabbat (Luk. 13, 10-13) betrachten: dort wird nämlich ein „Geist“ erwähnt, der seit 18 Jahren eine Frau krank macht. Jesus spricht die Frau direkt an: „Frau, du bist frei von deiner Krankheit“. Unmittelbar danach ist die Frau ihre Krankheit los. Heute käme wohl niemand auf die Idee, bei einer verkrümmten Frau einen „Geist“ für diese Verkrümmung verantwortlich zu machen. Man würde eine „Krankheit“ annehmen, die man vielleicht sogar schon mit calciumhaltigen Medikamenten lindern kann. Es ist aber nützlicher, von einem Dämon befreit zu werden als einer Krankheit ein „Dauerwohnrecht“ zu verschaffen.

Die Bibel kennt im Bereich von Krankheit kein grau oder neutral. Jede Krankheit gehört in den finsteren Bereich. Wer möchte, kann sich in 5. Mose 28 die Flüche ansehen, die gottlose Menschen treffen; es soll nur Vers 61 zitiert werden:

dazu wird der HERR alle Krankheiten und alle Plagen, die nicht geschrieben sind in dem Buch dieses Gesetzes, über dich kommen lassen, bis du vertilgt bist.

Es wird keine Krankheit ausgelassen, sogar erbliche Krankheiten werden in Vers 59 erwähnt. Gott hat sich selber eine Wesensbestimmung gegeben: Ich bin JHWH, dein Arzt (2. Mose 15, 26). Ebenso pauschal urteilt das NT: Jesus von Nazareth, gesalbt von Gott mit heiligem Geist und Kraft, der ist umher gezogen und hat Gutes getan und alle gesund gemacht, die vom Teufel unterdrückt waren, denn Gott war mit ihm (Apg. 10, 38). Es werden in diesem kurzen Satz noch nicht einmal Dämonen und Krankheiten unterschieden. Menschen brauchen Heilung, ob die Ursachen dafür nun als Dämonen oder Krankheiten bezeichnet werden. Der Teufel verursacht die Krankheit. An diesem Punkt habe ich auch verstanden, dass Gott immer und ausnahmslos heilen will. Genauso pauschal urteile ich mittlerweile über Krankheit: Krankheit ist immer und ausnahmslos eine Macht des Teufels. Es klingt etwas eigenartig aus meinem Mund, denn 45 Jahre meiner 56 Jahre bin ich massiv krank: Krankheit in meinem Leben ist eine Macht des Teufels. Nichts, aber absolut nichts, ist daran positiv. Ich hasse die Krankheit von ganzem Herzen, ebenso wie ich Gott liebe.

Viele „Argumente“ führen gedankenlose Menschen an, die besonders wirkungsvoll sind, wo man selber schwach ist. Deshalb habe ich darauf Wert gelegt, nachvollziehbar zu argumentieren. Glaube ist sehr empfindlich, wenn Schwachpunkte verbleiben. Das Ziel dieser Page ist es, den Glauben des einzelnen Leserin/s so fest zu machen, dass nur noch der Herr zur Heilung erforderlich ist. Fragen, die letztlich der Teufel stellt, habe ich auf der nächsten Seite versucht zu beantworten.